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Sonntag, 5. Oktober 2014

Strangers in Paradise








 Strangers in Paradise, Terry Moore
 (Schreiber & Leser, 2013)
 

"Ohne Liebe sind wir nur Fremde im Paradies."

 Terry Moore bereitet bei der Eröffnung seines Magnum Opus die Bühne für seine Geschichte, wir steigen ein mit einer Schulaufführung, zehn Jahre zuvor wie uns der Text informiert. Ein Schüler deklamiert die oben genannten Worte, während die üppige Heldin Francine in schlecht sitzender Toga ihrem Auftritt entgegen fiebert. Dann auftritt Katchoo, eigentlich Katina Choovanski, ebenfalls hinter der Bühne, als Francines beste Freundin, und nicht ganz so heimlich verliebt in diese, ignoriert sie ihren Schulrauswurf um ihr an diesem Tag beizustehen.
 Francines Auftritt gerät zum Chaos und endet damit das sie entblößt dasteht vor versammeltem Publikum.

 Nette harmlose screwball comedy, mit ansprechendem Strich in Szene gesetzt, die amüsiert und die grundlegende Beziehungsdynamik der Geschichte vorstellt:
Katchoo liebt Francine, doch Francine sieht in ihr nur die beste Freundin.

 Leider stürzt die Geschichte danach erst mal gehörig ab, was ein leichfüßig romantischer funny comic hätte werden können begibt sich nun erst mal in die Niederungen des Adult comic und wurstelt sich die nächsten 80 Seiten durch eine Sexklamotte mit gelegentlichem Drama Anspruch, die kein Klischee unangetastet lässt:

 Francine ist zehn Jahre später zum liebeshungrigen Dummchen herangereift die naiv auf den immer selben Männer-Typ setzt, in diesem Fall Kotzbrocken "Ready" Freddy Femurs der unter einem übermaß an Egomanie leidet und dessen erster Auftritt Programm ist: Er bettelt Francine nachts um Sex an. Es braucht keinen Doktortitel um zu sehen das Freddy nicht treu sein kann, doch offenbar mehr Verstand als der Liebestrunkenen Francine verblieben ist.
 Katchoo ist nun die prototypische, männerhassende Lesbe, und immer noch aussichtslos verliebt in Francine. Später wird noch der, seinerseits nicht minder aussichtslos in Katchoo verliebte, zurückhaltende Kunststudent David dazustoßen und unser Helden Duo zum Trio komplettieren.
Ansonsten findet sich in diesem ersten Storybogen ein  sich als Spanner betätigender Nachbar, ein mit He-Man artigen Charakteren bevölkertes Überfallkommando, ein Knastaufenthalt inklusive sexuellem Übergriff ... Klischee, Klischee, Klischee.

 Eines der wenigen Highlights ist eine Szene in der Katchoo versucht Freundin Francine zu trösten, nachdem diese endlich herausgefunden hat das ihr Freddy fremdgeht, und sich dabei selbst von ihren Sehnsüchten mitreißen lässt.

 Obwohl Sex hier, sowie später, eine tragende Rolle spielt, bleibt dieser immer im PG (etwa FSK 12) Bereich. Dem gegenüber steht jedoch eine weit weniger harmlose Natur, welche vorwiegend, aber nicht nur, seine männlichen Charaktere obsessiv antreibt.
Egomanen, Spanner, Sextäter ... Moores männlicher Kosmos hat etwas beängstigendes an sich, das in krassem Gegensatz steht zum gewählten Funnystil.


 Hätte ich die Strangers seinerzeit als Einzelbände aufgegriffen, ich hätte das erste Heft zugeklappt und der Serie keinen zweiten Blick gegönnt. Zu wenig eigene Ideen bietet Moore da an, stattdessen liefert etwas das zumeist wie die x-te halbherzige Kopie eines beliebigen Undergroundcomic wirkt.


 Dann jedoch, im zum Glück weitaus längeren, den Mittelteil bildenden zweiten Storyteil, der sich der Vergangenheit Katchoos widmet welche sie überraschend einholt, wendet sich der Erzählstil um 180°. Moore nimmt die Albernheiten weit zurück, bedient sich mehr Realismus in der Erzählung und steigert seine Geschichte über herzzerreisendes Drama hin zum knallharten Thriller. Eine Story in deren Verlauf er alle Register seines Könnens zieht, sich als detaillierter Zeichner profiliert welcher es versteht die Emotionen seiner Charaktere klar herauszuarbeiten in einem Stil der keiner Sprechblasen bedarf um die Botschaft zu transportieren, Dialog ist, gerade in den ruhigen zwischenmenschlichen Momenten oft nebensächlich zu dem was Blicke und Gesten sagen.

 Ein verbindendes Element das bleibt ist die überhöhte, überaus graphische Darstellung von Gewalt. Doch wo im ersten Teil Gewalt von Moore noch als komischer Effekt eingesetzt wird, setzt er sich nun, bewusst oder unbewusst, sehr viel kritischer mit dem Thema auseinander, wenn er einen seiner Charaktere im Comicartig ins lächerliche überhöhten "Krach" "Bumm" "Zack" Stil zusammenschlagen lässt um im späteren Verlauf dem realistisch lebensbedrohliche Verletzungen gegenüberzustellen. 

 Moore verabschiedet sich hier, für den Moment zumindest, von seinen Undergroundcomic Einflüssen, und setzt auf ein sehr viel filmischeres Element in seinem Stil. Irgendwo zwischen Grindhouse und Film Noir bewegt sich die Erzählung nun. Aufgelockert und Unterbrochen von Texteinschüben sowie Traumsequenzen in denen Moore mal den Disney Stil, mal die Peanuts aufgreift.

 Moores Zeichenstil wirkt dabei mit seinen vielen wechseln immer noch etwas unausgereift, die kurzen Hommagen treffsicherer als der eigene. Ein Zeichner der noch immer nach seinem persönlichen Stil sucht. Wohl auch als Erzähler, denn nach dem Ausflug ins Drama und Thrillergenre kehren wir (hoffentlich ein letztes mal?) erneut zurück zu "Ready" Freddy, in gemäßigterem, weniger stark karikierenden Screwball Stil, aber eben doch wieder mehr hin zur Sexklamotte tendierend.


 So ganz ist der Funke bei mir nie übergesprungen, Terry Moores "Strangers in Paradise" ist ein zwar recht amüsanter Funny Comic für Erwachsene, aber kein Bahnbrechender.
Die Soap Opera artige Handlung weist leider allzu viele logisch Brüche auf wenn man sie zu sehr unter die Lupe nimmt, und vor allem die extrem Klischee getränkte Einführung hinterlies bei mir einen etwas unangenehmen Geschmack. Positiv überzeugen konnte mich Moores zwar wechselhafter aber immer solider Zeichenstrich sowie die ebenso wechselhafte Beziehung seiner Hauptcharaktere die einen immer wieder neugierig macht, am Lesen hält und dafür sorgt das diese einem nach und nach ans Herz wachsen. Gerade Katchoo ist so ein Charakter der einem ans Herz wächst, mit der mit leidet, deren Vergangenheit einen abwechselnd Schockiert, Bestürzt und gar in Tränen aufgelöst zurücklässt, mit der man aber auch mit fiebert, und hofft, und liebt, ja, mit der zusammen man sich auch ein stückweit in die naive Francine mit verlieben kann.

 Als Graphic Novel gelesen könnten die "Strangers" mich nicht überzeugen, da stehen einfach sehr viel überzeugender rübergebrachte Werke gegen, als Comic Soap Opera gelesen, zeigt Moores Werk dagegen sehr viel potential und überwiegt für mich der Unterhaltungswert klar die kritischen Punkte. Setzt man hinzu das Moore seinen Comic in einer Zeit Zeichnete, Schrieb und Selbstverlegte, als der Amerikanische Superheldenmarkt gerade im Begriff war zu explodieren, in einer Zeit in der Frauendarstellungen sich immer weiter von der Realität entfernten und die Superheldenmodels der Jae Lee Schule Dominanz gewannen, muss man seinen Mut anerkennen mit einem sich gegen diesen Mainstream stellenden Comic aufzuwarten, und zu dem gerade im erzkonservativen Amerika der nach Reagen und Bush Ära mit einer offen zu ihrer Homosexualität stehenden Heldin.


 Zur Schreiber und Leser Ausgabe gilt hinzuzufügen das diese durch Preis und Ausstattung vollständig überzeugen kann. Die Optische Präsentation gefällt, die Verarbeitung/Bindung ist solide so das sich der Comic mehrfach lesen lässt ohne befürchten zu müssen dass sich das ganze in ein Kartenspiel auflöst und der Preis ist für ein 344 Seiten starkes Softcover mehr als angemessen.

Ich habe den Band im Zuge einer Lovelybooks Leserunde vom Verlag zugesandt bekommen und möchte dafür wie üblich meine Dank aussprechen an
Lovelybooks
Schreiber & Leser

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